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Verloren im Nichts – und doch nicht allein

Verloren im Nichts – und doch nicht allein

Einsam steht er da. Verloren. Den Schlamm überall am Körper blickt er ins Leere. Nur wenige Schritte entfernt hat er noch vor ein paar Tagen mit seinen kleinen Kindern gespielt. Da wo das Haus, sein ganzer Stolz, ihm und seiner Familie so viel Sicherheit versprach, ist nun nur noch Dunkelheit. Das Zuhause ist einem Berg aus Dreck und Matsch gewichen.
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Thomas Dickel setzt sich schon seit Kindheitstagen mit Herzblut für das Technische Hilfswerk (THW) ein. In Katastrophensituationen wie dem Ahrtalhochwasser konnte er sich auf sein jahrelanges Training verlassen. Heute blickt der 42-Jährige für einen Moment zurück. Er berichtet von Tragödien, echter Menschlichkeit und von der Kraft des Humors.

Thomas Dickel ist Zeuge dieser Szene im Juli 2021 – mitten im Katastrophengebiet an der Ahr. Mit einer Schippe in der Hand, tritt Dickel an den Familienvater heran und fragt, ob er ihm helfen darf. Dickel erkennt nun die Tränen, die dem Mann übers Gesicht laufen.

Kurze Zeit später stehen weitere Helfer des THW in den Trümmern des Hauses und schaufeln unablässig Erde, Dreck, Gestein und Wasser. „Dieser Mann hatte einen Kredit für den Bau seines Hauses aufgenommen und über Nacht alles verloren. Es hat einem das Herz gebrochen, das zu sehen“, sagt der Ortsbeauftragte des THW-Schwalmstadt.

Die ersten drei Tage im Einsatzgebiet überkommt Dickel noch nicht einmal ein leichtes Lächeln. Zu groß ist der Schmerz, der in der Luft liegt, zu anstrengend sind die langen Tage im Morast. In dieser größten Not erkennt Dickel aber auch eine „Solidarität, die ich so noch nie erlebt habe“.

 

BLAUES BLUT UND EINFACHSTE PHYSIK

Denn Not schweißt zusammen und die Menschen im Ahrtal helfen sich, wo sie nur können. Aber die Opfer der Katastrophe erfahren auch unheimlich viel Unterstützung. Aus dem ganzen Land melden sich ehrenamtliche THW-Helfer*innen einsatzbereit – so wie der THW-Ortsverband aus Schwalmstadt, der über vier Wochen mit 20 freigestellten Einsatzkräften 4.000 Stunden im Hochwassergebiet tätig ist.

Das „blaue Blut“, das den THW-Mitglieder*innen nachgesagt wird, durchströmt Dickel bereits seit Kindheitstagen. Im Jahr 1990 gründet sich eine Jugend­gruppe der Bundesorganisation in Schwalmstadt. Zusammen mit guten Freund*innen findet er sofort Gefallen an den spielerisch vermittelten Rettungsübungen.

„Im Prinzip wenden wir zunächst einmal einfachste Physik an“, erklärt Dickel, der sich noch gut an seine ersten Tage beim THW erinnert. Wie wirken sich Hebelkräfte aus? Welche Werkzeuge sind wie zu verwenden? Begriffe wie Umlenkrolle, Verzapfung, Dreibockbund oder Flaschenzug gehören bald zum ganz normalen Sprach-Repertoire der Jugendgruppe.

Ein riesiger Vorteil des THW ist laut Dickel die Tatsache, dass das THW eine Bundesorganisation ist, die überall gleich aufgestellt ist. “Wenn ich beispielsweise in einen Ortsverband nach Hamburg käme, wüsste ich sofort, welches Werkzeug wo auf welchem Fahrzeug zu finden ist“.

 

EINE ZUTIEFST MENSCHLICHE EIGENSCHAFT

Zurück im Ahrtal: Stark be- und teilweise überlastet sind die Helfer*innen nicht nur körperlich, sondern vor allem seelisch. Die Einsatzkräfte sehen Leichen und kümmern sich fast rund um die Uhr um Menschen, die am Ende ihrer Kräfte sind. Das ist auf Dauer nur schwer zu ertragen. Abhilfe schafft in diesen Krisen­situationen etwas zutiefst Menschliches: Humor.

Gemeinsames Lachen kann therapeutisch wirken. Im Fall von Thomas Dickel und seinem Team aus der Schwalm sind es die Menschen vor Ort, die für Ablenkung sorgen. So lädt zum Beispiel die örtliche Feuerwehr zum Grillen ein. „An diesem Abend haben wir dann das erste Mal gelacht“, sagt Dickel.
Es sind einfache Gespräche, die ein wenig der Last von den Schultern der Frauen und Männer nehmen.

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